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Hugo-Häring-Landespreis 2021

24. November 2021

10 Hugo-Häring-Landespreise vergeben

Bernd Seeland
Bernd Seeland

Holzbau, Lehm, Bauen im Bestand, Kreislaufwirtschaft, dazu ein Verkehrsbauwerk, das einen Beitrag zur Mobilitätswende leistet: Die Themen, die der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) in seinem Positionspapier „Das Haus der Erde“ angesprochen hat, sind auch im Hugo-Häring-Landespreis angekommen. Zehn Bauwerke hat eine fünfköpfige Jury aus den 130 Projekten ausgewählt, die in den 15 Kreisgruppen im Vorjahr eine Auszeichnung erhielten. 679 Bauten waren eingereicht worden.

Im dreijährigen Turnus vergibt der BDA Landesverband Baden-Württemberg seit 1969 den ältesten und renommiertesten Architekturpreis des Landes: Zuerst küren die Kreisgruppen die besten der eingereichten Projekte mit einer Auszeichnung, auch „kleiner Hugo“ genannt; aus diesen geht dann der Landespreis hervor. Ausgezeichnet werden Bauherrinnen und Bauherren gemeinsam mit den Architekturbüros. Alle Bauten wurden in den letzten fünf Jahren fertiggestellt.

Juryvorsitzender war diesmal Peter Brückner vom Büro Brückner und Brückner aus Tischenreuth, nicht zu verwechseln mit dem Atelier Brückner aus Stuttgart, das einen der Preise erhielt. Weitere Jurymitglieder waren die Architektinnen Donatella Fioretti und Bettina Kraus, der Direktor des Stadtpalais Stuttgart Torben Giese sowie Laura Weißmüller, Architekturkritikerin der Süddeutschen Zeitung.

Die Preisverleihung fand am 19.11.2021 im Alten E-Werk in Baden-Baden statt.

 

Bernd Seeland
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LRO Lederer Ragnarsdóttir & Oei / dm-drogerie markt

dialogicum. Unternehmenszentrale dm-drogerie markt, Karlsruhe
Architektur: LRO Lederer Ragnarsdóttir & Oei, Bauherrschaft: dm-drogerie markt

2012 entstand die Idee, für den Drogeriemarkt dm einen neuen Unternehmenssitz zu bauen, der bis dahin auf acht Gebäude verteilt war. Mit einem überwiegend viergeschossigen Bau aus Abbruchziegeln mit acht grünen Innenhöfen gewann das Büro LRO den Wettbewerb. Ein Parkhaus schützt vor dem Lärm des nahen Autobahnkleeblatts. Filigrane weiße Laubengänge kontrastieren mit dem Braun der skulpturalen Ziegelwände. Auf der anderen Seite, dem Bahnhof Durlach zugewandt, wo der Bau auf drei Geschosse abgetreppt ist, liegt ein Mitarbeiterrestaurant einladend an einem kleinen See. Sie seien „begeisterte Nutzer“, sagen Martin Dallmeier und Tobias Rößler als Vertreter des Bauherrn. „Es war eine „wunderbare Kooperation.“ Und: „Der Bau spiegelt die Unternehmenskultur wider.“ Arno Lederer: „Ich hoffe, ihr kauft jetzt alle da ein.“

 

Bernd Seeland
Bernd Seeland
Burger Rudacs Architekten / Land Baden-Württemberg, vertreten durch Vermögen und Bau

John-Cranko-Schule, Stuttgart
Architektur: Burger Rudacs Architekten, Bauherrschaft: Land Baden-Württemberg, vertreten durch Vermögen und Bau

Maßarbeit war der Bau der John-Cranko-Schule in Stuttgart, die in fünf Stufen, von einem ebenerdigen Eingang an der Werastraße zu einem zweiten an der Urbanstraße den Hang hinabsteigt. Unter maximaler Ausnutzung der Grundstücksfläche brachte das Münchner Büro Ballettschule mit Internat, Tanzsäle und Probebühne in hellen Sichtbeton-Kuben unter, die den Maßstäben der umgebenden Bebauung folgen. Bei einem Niveauunterschied von 21 Metern ging dies nur mit sehr dünnen Decken, was wiederum, bei 24 Meter Spannweite des Probesaals, eine Herausforderung für den Tragwerksplaner war. So hängt die Decke nun an den Wänden der darüber liegenden Etage. „Das Einfache und Redundante erfordert komplexe Lösungen“, resümiert Eberhard Klein vom Landesbetrieb Vermögen und Bau.

Bernd Seeland
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Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten / Landeshauptstadt Stuttgart, Hochbauamt

Kita im Park, Stuttgart
Architektur: Birk Heilmeyer und Frenzel Architekten, Bauherrschaft: Landeshauptstadt Stuttgart, Hochbauamt

Überrascht zeigte sich Peter Holzer vom Stuttgarter Hochbauamt, dass der Bau der Kita am Park vom Büro Birk Heilmeyer und Frenzel, einen Hugo-Häring-Landespreis bekam. „Etwas unverhofft“, kam die Auszeichnung auch für den Projektleiter Jochen Günzler. Die „Brot-und-Butter-Aufgabe“ (Holzer) einer Kindertagesstäte auf einem Restgrundstück löste das Büro mit einem Holzbau in kräftigem Rot, innen kontrastiert durch dunkles Grün, der sich auch dem Umstand verdankt, dass der Bau auf einem Bunker aufliegt. Somit wurde kein weiterer Boden versiegelt, und der historische Baumbestand blieb erhalten. „Sie haben alles richtig gemacht“, resümiert Holzer über das Architekturbüro: Der Bau sei gut fürs Klima und funktioniere gut. An einem Unort, so Günzler, gelang eine neue Adressbildung.

Bernd Seeland
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Atelier Brückner / Landeshauptstadt Stuttgart, Hochbauamt

Wagenhallen, Stuttgart
Architektur: Atelier Brückner, Bauherrschaft: Landeshauptstadt Stuttgart, Hochbauamt

Zunächst temporär hatten sich Künstlerinnen und Künstler aller Sparten 2003 in der Wagenhalle am Stuttgarter Inneren Nordbahnhof eingenistet. Zwölf Jahre danach entschied der Gemeinderat, die Halle, 1895 erbaut zur Reparatur von Eisenbahnwagen, dauerhaft zu erhalten. „Wie soll das überhaupt gehen?“, war Peter Holzers erster Gedanke, als das Projekt auf seinen Tisch kam. Dem Atelier Brückner gelang das Kunststück, den Bau, der in keiner Weise den heutigen Anforderungen genügte, so zu sanieren, dass möglichst viel von der ursprünglichen Gestalt, aber auch von der produktiven Atmosphäre des Künstlerareals erhalten blieb. Ergänzungen aus Abbruchziegeln passen nun besser zum Original als frühere Anbauten. Das Areal wurde „nicht gentrifiziert“, wie Projektleiter Michel Casertano hervorhebt, die Nutzer konnten wieder einziehen. Und die Wagenhalle wirkt, wie Holzer unterstreicht, als erster Baustein des IBA-Quartiers C1, weiter in die Zukunft hinein.

Bernd Seeland
Bernd Seeland
Steimle Architekten / Gemeinde Kressbronn

Bücherei, Kressbronn
Architektur: Steimle Architekten, Bauherrschaft: Gemeinde Kressbronn

Wo früher Heu lagerte, stehen nun zwischen dem alten Fachwerk Bücher in den Regalen. Als die 8500-Einwohner-Gemeinde Kressbronn am Bodensee 2015 einen Wettbewerb für eine Bücherei ausschrieb, wollte sie den alten Stadel in der Ortsmitte erhalten. Thomas Steimle und sein Team bauten die Holzkonstruktion ab, ersetzten den alten Sockel durch einen neuen aus Dämmbeton und setzten das Dachtragwerk wieder auf. Eine Lattung vor den vollverglasten Stirnseiten sorgt für ein angenehmes Licht im Inneren und erinnert an den ursprünglichen Bau, von dem sich der Neubau auf den ersten Blick kaum unterscheidet. Es war eigentlich „ein ganz kleines Projekt“, sagt der Architekt. Dennoch habe er sich sehr intensiv mit den geschichtlichen Werten und handwerklichen Techniken befasst, die er in etwas Neues transformieren wollte.

Bernd Seeland
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Peter Krebs Büro für Architektur / Evangelische Kirche Karlsruhe

Petrus-Jakobus-Kirche und Gemeindehaus, Karlsruhe
Architektur: Peter Krebs Büro für Architektur, Bauherrschaft: Evangelische Kirche Karlsruhe

Das charakteristische Profil der Petrus-Jakobus-Kirche in der Karlsruher Nordweststadt verrät auf den ersten Blick nicht sofort den Sakralbau. Und das ist Absicht. Es sollte ein Ort sein, „der sich von den anderen Orten des Alltags deutlich unterscheidet“, so der Architekt Peter Krebs. Und doch, wenn man den Hof zwischen Kirche und Gemeindehaus betritt, auch ein offener Raum für die Stadtgesellschaft, mit dem einzigen Café des Stadtteils. Etwas Klösterliches schwebte dem Architekten vor, das er mit einer sehr reduzierten Formsprache aus weiß geschlämmten Ziegelmauern und hellem Holz erreichte. Eine alte Dame habe einen „erbitterten Kampf gegen den Abbruch“ der Vorgängerkirche geführt, erzählt Pfarrer Wolfgang Scharf. Doch als sie den Neubau betrat, meinte sie: „Ich weiß nicht, was geschehen ist, aber das ist jetzt meine Kirche.“

Bernd Seeland
Bernd Seeland
Cukrowicz Nachbaur Architekten / Bistum Rottenburg-Stuttgart

Bischofsgrablege Sülchenkirche, Rottenburg
Architektur: Cukrowicz Nachbaur Architekten, Bauherrschaft: Bistum Rottenburg-Stuttgart

Auf eine sehr alte Geschichte kann die Sülchenkirche zurückblicken, auf einem Friedhof am Rand der Bischofsstadt Rottenburg am Neckar gelegen. Als Keimzelle des Bistums war sie bisher auch Bischofsgrablege. Sülchen war ursprünglich seit alemannischer Zeit ein eigener Ort. In der Grablege kamen „unglaubliche archäologische Funde“ zum Vorschein, wie Michael Mayer, der Projektleiter des Büros Cukrowicz Nachbaur berichtet: Fundamente einer alten Dreiabsidenkirche, Grabbeigaben, Schwerter, Ringe – eine 1500-jährige Bestattungskultur. Aufgabe der Architekten war, diesen Funden mehr Raum zu geben. Stampflehmwände schaffen eine eindrucksvolle Atmosphäre. Die Friedhofserde, die herausgenommen wurde, so Mayer, gaben sie dem Ort wieder zurück. „Sehr großes Vertrauen“ habe ihnen das Bistum entgegen gebracht. Die Jury spricht von einer „sensibel verdichteten Architekturintarsie.“

Bernd Seeland
Bernd Seeland
Knight Architects / Stadtwerke Ulm

Kienlesbergbrücke, Ulm
Architektur: Knight Architects, Bauherrschaft: Stadtwerke Ulm

„Die Kienlesbergbrücke wurde von den Bürgerinnen und Bürgern vom Tag der Eröffnung vor drei Jahren an mit Begeisterung gefeiert“, freut sich Bart Halaczek vom englischen Büro Knight Architects. Eigentlich eine Straßenbahnbrücke für die neue Linie 2, die vom Hauptbahnhof über das Theater zur Universität auf dem Eselsberg führt, ist sie ebenso für Fußgänger und Radfahrer da: „Ein öffentlicher Ort an einer Stelle, an der ein solcher Ort gar nicht denkbar war“. Bauherr waren die Stadtwerke, die am Fuß der Brücke ihren Sitz haben und die Straßenbahnlinien betreiben. Doch eigentlich ging es um die ganze Stadt. Halaczek hebt die „fruchtbare Zusammenarbeit“ mit den Baubürgermeistern Alexander Wetzig und Tim von Winning hervor. Letzterer spricht von einem Stadtbalkon: Jeden Tag säße jemand auf den eingebauten Bänken und ließe die Blicke über das Gleisvorfeld des Bahnhofs schweifen. Ein wichtiger Baustein auf dem Ulmer Weg zur Mobilitätswende.

Bernd Seeland
Bernd Seeland
Ecker Architekten BDA + BDIA / Kinder- und Jugenddorf Klinge

Kinder- und Jugenddorf Klinge, Seckach
Architektur: Ecker Architekten BDA + BDIA, Bauherrschaft: Kinder- und Jugenddorf Klinge

„Wie baut man ein Zuhause für Kinder, die kein Zuhause haben?“ fragt die Architektin Dea Ecker. Ihr Bau ist die Antwort: „Ein Gegenentwurf zum klassischen Kinderheim mit Schichtbetrieb.“ Im Kinder- und Jugenddorf Seckach, der größten solchen Einrichtung in Deutschland, leben 160 Kinder jeweils zu acht mit einer Hausleiterfamilie unter einem Dach. Die Gebäude des Büros mit Sitz in Heidelberg, von Ecker und Robert Piotrowski ursprünglich in Chicago gegründet, setzen dies sprechend ins Bild. Zwei Baukörper mit tief herabgezogenen Walmdächern und siloartigen Treppentürmen, der eine U-förmig, der andere länglich, bilden ein bauernhofartiges Ensemble. Nach der Besichtigung von Referenzbauten und Kostenvergleichen entschied sich der Bauherr für eine reine Holzkonstruktion, beheizt mit Holzpellets in einem kleinen Nahwärmenetz. Ecker Architekten hätten neue Maßstäbe gesetzt, meint Ekkehard Brand, der 16 Jahre lang ehrenamtlicher Vereinsvorstand war.

Bernd Seeland
Bernd Seeland
bächlemeid architekten stadtplaner bda / Bauherrengemeinschaft Beznerturm

Bezner-Turm, Ravensburg
Architektur: bächlemeid architekten stadtplaner bda,, Bauherrschaft: Bauherrengemeinschaft Beznerturm

Bei der Konversion der Ravensburger Maschinenfabrik Bezner, auch Mühlenviertel genannt, sollten neben einem Projektentwickler auch Baugemeinschaften zum Zug kommen. Eine blieb übrig, die das ehemalige Verwaltungsgebäude, einen Turm am zentralen Quartiersplatz, übernahm. Karin Meid-Bächle und Martin Bächle, die auch die benachbarte Werkhalle mit ihrer der historischen Ziegelfassade in einen Coworking-Space für Kreative verwandelten, lehnten sich an die Ästhetik der Segmentbögen und Ziegelmauern an und umhüllten den sechsgeschossigen Turm mit einer Backsteinfassade. „Der nachhaltigste Ansatz ist immer, bestehende Gebäude um- und weiter zu benutzen“, formuliert die Jury. „Deshalb wünscht man sich mehr von diesen qualitätvollen Bauten – überall.“

Besprechung auf Baunetz.de: https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Hugo-Haering-Landespreise_2021_vergeben_7801344.html